Die Kreativ- und Digital-Szene machen es schon länger vor, andere Branchen ziehen nach: Coworking Spaces sprießen aus dem Boden, Großunternehmen gründen Digital Units oder Innovation Labs. Firmen entwickeln ihre Büros zu Wohlfühloasen, Mitarbeiter zu selbstverantwortlichen Mitunternehmern, und die Prozesse und Hierarchien von früher werden auf den Prüfstand – wahlweise auf den Kopf – gestellt. Der zugehörige Filmtitel lautet? Genau. New Work. Wir fragen uns, ist die Generation Z überhaupt dafür prädestiniert?!

Sind Projektteams, die agil arbeiten, sich zwischen Büro und Homeoffice frei entscheiden können, dabei bereitgestellte Obstteller plündern, Tischkicker traktieren oder in eigens designten Schlafkojen powernappen überhaupt New Work? Und wozu das alles? Klären wir zunächst einmal den Begriff.

Der Vorreiter dieser Bewegung ist Frithjof Bergmann, seines Zeichens Philosoph und Anthropologe mit Zwischenstationen als Boxer und Hafenarbeiter. Seine Ideen entwickelte er bereits in den 70ern während seiner Tätigkeit in der amerikanischen Autoindustrie. Die damals bereits beginnende Digitalisierung in der Produktion hatte Massenentlassungen zur Folge. Gemäß seiner Vorstellung sollte die durch die Automatisierung von Prozessen frei werdende Zeit den Mitarbeitern zur Identifikation ihrer persönlichen Berufung („Arbeit, die sie wirklich wollen!“ Zitat aus einem Interview gewährt werden. Arbeit sollte demnach nicht als reine Lohnarbeit wahrgenommen sondern als etwas Sinnhaftes empfunden werden, auf das man seine persönliche Stärke, Energie und Kreativität konzentriert. Jeder Mensch sollte darüber hinaus in lokalen Gemeinschaftsproduktionen mitwirken.

Utopie oder Möglichkeit?

Das Grundkonzept ist in politischer und soziokultureller Hinsicht revolutionär und seine Thesen aktuell angesichts der digitalen Transformation und dem damit verbundenen Wandel der Arbeitswelt, aber auch im Hinblick auf die Globalisierung und den Klimawandel. Im Vordergrund seiner Thesen stehen nicht nur die Selbstverwirklichung Einzelner und die damit verbundene intrinsische Motivation und das enorme Leistungspotential sondern auch globale Armutsbekämpfung und der Klimaschutz. Klingt nach hoher Komplexität und hehrem Ziel und alles andere als schnell und leicht umgesetzt. Nicht umsonst hat Bergmann selbst es als eine Utopie bezeichnet. Aber was ist dran? Spinnerte Idee oder perfekte Antwort auf die digitale Disruption?!

Der Begründer selbst stört sich eher daran, wie die Bewegung heute zum größten Teil verstanden wird, nämlich als „Lohnarbeit im Minirock“. (Zitat aus Interview mit Frithjof Bergmann. Vielfach verkommt New Work demnach zum netten „Mitarbeiter Benefit Bauchladen“, mit dem Ziel, als Arbeitgeber möglichst attraktiv zu wirken. Also eher der „Low Carb Variante“ des ursprünglichen Gedankenguts Bergmanns. Das entsprach nämlich einer radikalen Änderung der Arbeitswelt und des Verständnisses von Arbeit.

Selbstbestimmung und Selbstverantwortung als Kernelemente von New Work.

Im Kern vom heutigen New Work Konzept geht es primär darum, selbst bestimmt und selbstverantwortlich zu agieren und sich dabei bestenfalls selbst verwirklichen zu können. Das schließt nun mal starre Hierarchien und Entscheidungsprozesse und sehr arbeitsteilige Strukturen per se aus.

Selbstverantwortung heißt auch, wann und wo ich dieses Ergebnis erbringe, wieviel Zeit dafür genau benötigt wird und welches Team dafür am besten geeignet ist, ist dabei vom Projekt/der Fragestellung abhängig. Und keineswegs von der Form der Beauftragung – also Freelancer oder Angestellter – oder einer Abteilungszugehörigkeit oder gar von räumlichen Gegebenheiten. Die uns zur Verfügung stehende Technik schafft dabei die benötigte Flexibilität!

Die von Unternehmen einzeln eingesetzten Arbeitsformen wie Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und agilen Methoden wie Scrum oder Design Thinking etc. sind heute fest mit dem Begriff New Work verankert. Vom Einsatz neuer Projektsteuerungstools über Vertrauensarbeitszeit, selbst gewählten oder einheitlichen Gehaltsmodellen bis hin zur Urlaubs Flatrate gibt es allerdings eine große Spannbreite an neuen Arbeitsformen 4.0 in Unternehmen samt dazugehöriger individueller und kreativer Betitelung.

New Work entspricht im Wesentlichen eher einer Haltung zur Arbeit. Das betrifft den Glauben an Mitbestimmung und Selbstverantwortung und das damit verbundene große Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter, ein respektvoller und wertschätzender Umgang unabhängig von hierarchischen Strukturen, eine extrem hohe Flexibilität sowie die Bereitschaft, stets auf Veränderung zu reagieren und lebenslang zu lernen und – besonders wichtig – eine gelebte Fehlerkultur!

Das ist alles andere als ein Spaziergang und für viele traditionelle, straff hierarchisch organisierte Unternehmen ein echter kultureller Wandel – um nicht zu sagen ein Schock! Dieser kann nur mit vollständigem Rückhalt aus der Unternehmensspitze heraus bis in die kleinsten Verästelungen der Unternehmensstrukturen vollzogen werden. Und das geschieht selbstverständlich nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess, der selbst immer wieder auf den Prüfstand gestellt und nachjustiert werden muss.

„Hinzu kommt: „Es wünschen sich nicht alle Menschen Autonomie am Arbeitsplatz“, so Neurobiologe Gerhard Roth. Der Professor forscht an der Uni Bremen zur Veränderbarkeit des Menschen. Roth: „Etwa die Hälfte der Beschäftigten sind zufrieden damit, Anweisungen auszuführen.“ Das läge an ihrem Persönlichkeitstyp, der auf Sicherheit und Risikovermeidung ausgerichtet sei.“

Und wozu dann New Work?

  • Damit Kreativität entstehen kann, die idealerweise in innovativen Produkten und Dienstleistungen mündet.
  • Damit Projekte effizient laufen und in kleineren Schritten optimale Ergebnisse erzielen.
  • Damit Menschen Privatleben und Beruf besser vereinbaren können.
  • Damit Arbeit nicht in Monotonie mündet und wir uns kontinuierlich weiter entwickeln.

Kurz – damit Unternehmen zukunftsfähig sind.

Schließlich handelt es sich ja bei der Mehrzahl an Unternehmen überwiegend um Wirtschaftsbetriebe. Insofern schließen New Work und Profit sich überhaupt nicht aus. Frithjof Bergmann sieht jedoch darin eher eine Gefahr, die Vorteile von New Work heute zu einseitig zugunsten von Unternehmen auszulegen und damit die Ausbeutung von Mitarbeitern zu fördern statt ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen.

Generation Z = Generation New Work?

Die nun auf den Arbeitsmarkt strebende Generation Z zeichnet sich durch einige Merkmale aus, die dem New Work Gedanken durchaus entsprechen. So ist sie auf der Suche nach einer Tätigkeit, die Spaß macht, erfüllend, sinnhaft und abwechslungsreich ist. Sie ist weniger obrigkeitshörig als die Generationen davor und dürfte vom Teamgedanken und Mitverantwortung/Einflußnahme schlichtweg begeistert sein: Selbstverwirklichung – hier komme ich!

Es gibt aber auch einige Merkmale, die sie durchaus kritisch sehen dürften. So plädiert der Nachwuchs eher für eine strikte Trennung zwischen Privatem und Beruflichem, was dem „Work-Life Blending“ widerspricht. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privat sind im New Work Konzept nämlich fließend und werden von dieser Generation tatsächlich als Ausbeute entlarvt.

„Warum soll ich überhaupt noch nach Hause gehen, wenn mein Arbeitsplatz mir alles bietet, wa sich brauche? Obst, soziale Kontakte, Schlafkojen, Stehschreibtische, luftige Großraumlandschaften in anregenden Farben: bald (oder jetzt schon) alles gegeben. Work-Life Blending animiert uns zu Daueraktivität – vielleicht nicht mehr nur im Büro, sondern auch im Zug, im Café und im Strandbad.“

(Zitat Christian Scholz, Mogelpackung Worklife Blending, Whiley Verlag 2018, S. 13/14)

Die GenZ möchte die Arbeit gar nicht zwingend in die eigene vier Wände verlagern und freut sich über einen festen Schreibtisch mit Bild des Partners. Der Wunsch nach Homeoffice entspricht damit womöglich eher der Lebenssituation (Vereinbarkeit von Beruf und Familie) – und ist damit abhängig von der Lebensphase oder der Persönlichkeit und/oder dem gewählten Beruf (Inspiration von Kreativtätigen durch eigens gewählte Arbeitsumgebung) – als einem grundsätzlichen Bedürfnis einer ganzen Generation.

Auch wenn sie soziale Kontakte gleichermaßen über digitale Kommunikationskanäle pflegen, so ersetzen diese den persönlichen Kontakt mitnichten. Auch ohne eine Studie in der bisherigen Corona Pandemie zugrunde legen zu können, können wir hier als Eltern im Team in den derzeitigen Lockerungen des social distancing nur bestätigen, wie sehr diese Generation nun nach echten analogen Kontakten lechzt. Wie sonst könnte der große Wunsch, wieder in die Schule zu gehen, trotz digitalen Unterrichts, Chats und toleriertem Dauergedaddel erklärt werden?

Werte spielen zudem eine große Rolle für die jungen Erwachsenen – doch wie vermittelt man sie, wenn man sich im Office nicht mehr trifft, die Einarbeitung virtuell erfolgt und man die engsten Kollegen noch nie in echt gesehen hat? Werteorientierung und Vorbild sein funktioniert immer noch primär über analoge Kontakte.

Die Jugend wächst zudem zwar mit modernen digitalen Kommunikationstechnologien auf, deren Nutzung aber nicht notwendigerweise weit über Google-Suche, Instagram und TikTok Beiträge hinausgehen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass sie an neue Technologien und Tools deutlich flexibler, neugieriger und intuitiver als die Generationen zuvor herangehen und auch recht schnell lernen.

Der nachfolgenden Generation wird mitunter auch eine geringe Loyalität zum Arbeitgeber attestiert. Ein Change Prozess erfordert jedoch gerade eine extrem hohe Loyalität. Sie ist darüber hinaus gewohnt, dass Dinge schnell funktionieren und damit tendenziell eher ungeduldig, was dem langwierigen Prozess im Changemanagement mit all seinen Hürden und potentiellen Widerständen entgegensteht.

Selbstverantwortung erfordert eine exzellente Selbstorganisation.

Aber – auch hier gilt vermutlich, dass nicht alle Gen Z-ler gleich ticken. Was den einen begeistert, schreckt den anderen ab. Wo der eine Möglichkeiten sieht, sich selbst zu verwirklichen, wittert der andere das Verlassen der Komfortzone und hält dem Druck der Verantwortung sowie Selbst- und Zeitmanagement womöglich nicht Stand. Denn Selbstverantwortung erfordert eine exzellente Selbstorganisation.

Im Übrigen gilt auch hier, dass die Selbstselektion der einzelnen Generationenvertreter sicherlich dazu führt, dass sich New Work Enthusiasten eher den Arbeitgeber aussuchen werden, der hier in der Arbeitswelt 4.0 schon ganz vorne mitspielt.

Für alle, die nun neugierig geworden sind – es macht Sinn, Generationen übergreifend MitarbeiterInnen an einen Tisch zu holen, die sich für das Thema New Work begeistern, damit sie mögliche Einsatzgebiete identifizieren und gemeinsam Maßnahmen und Projekte erarbeiten können. Dann ist bei der Realisierung auch auf breiterer Basis mit Akzeptanz zu rechnen. Das Fraunhofer Institut und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales analysierten in diesem Zusammenhang aktuell Erfolgsfaktoren für neue Arbeit mit entsprechenden Beispielen und Best Practices in einem Bericht.

Der New Work Award gibt Ihnen darüber hinaus die Gelegenheit, sich anzusehen, wie die Gewinner und Finalisten erfolgreich New Work-Formate etablieren.

Damit die zukünftigen Generationen gut in die neue Arbeitswelt integriert werden können, ist es überdies von Bedeutung, dass sich auch die Schul- und Hochschuldidaktik bereits mit den entsprechenden Arbeitsformen intensiv befassen und die nötigen sozialen und methodische Kompetenzen beim Nachwuchs fördern. Hierbei können Sie sich von Prof. Dr. habil. Carsten C. Schermuly inspirieren lassen. Er hat sich dem Ziel verschrieben, an seiner Hochschule in Berlin die New Worker von morgen auszubilden.

Für eine erfolgreiche Umsetzung neuer Konzepte empfiehlt sich neben dem Studium entsprechender Fachliteratur und Praxisbeispiele immer auch die Rückschau auf bisherige Veränderungsprozesse im eigenen Unternehmen:

Wie wurden sie aufgenommen, wie kommunikativ begleitet, mit welchem Ergebnis? Was lief gut und was holprig, mit welchen Widerstände ist wo zu rechnen und wie gehe ich damit um? Wen hole ich mir als  Botschafter/Mitstreiter/Wegbereiter mit an Bord?

Die Begleitung durch einen erfahrenen Experten/Berater ist ebenfalls anzuraten, um die größten Fettnäpfchen zu vermeiden. Für alle kleinen Fettnäpfchen gilt – aus Fehlern lernen wir am meisten.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen Mut, Durchhaltevermögen und ganz viel Erfolg auf Ihrem Weg in die Neue Arbeit.

Autorin: Pia Antwerpes

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