Ein Interview mit Marc Raschke

Marc Raschke ist seit 2013 Leiter der Unternehmenskommunikation des Klinikums Dortmund. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Klinik nachhaltig als interessanten Arbeitgeber zu positionieren und das Arbeitgeberimage positiv zu prägen. Dabei hat er keine Angst vor neuen und humorvollen Wegen. So entstand unter seiner Regie ein YouTube Video, in dem OP-Geräusche zum Percussion-Stück wurden, das bei jungen Ärzten darum warb, als zukünftige Mitarbeiter Teil des Orchesters zu werden. Oder eine Ausbildungs-Matching-App im Stil von Tinder. Wir haben das Gespräch mit ihm gesucht und wollen Ihnen dieses kurzweilige Interview nicht vorenthalten.

Marc, ihr fallt immer mal wieder mit originellen Marketingaktionen auf und seid auch in den sozialen Medien sehr umtriebig. Wo seid ihr denn derzeit gerade so unterwegs?

Wir machen alles Mögliche. Facebook, klar da kommt man immer noch nicht drum rum. Wir konzentrieren uns aber gerade sehr auf Instagram, machen TikoTok, Snapchat, Jodel, YouTube, Twitter. Wir bedienen all diese Kanäle, weil man die Zielgruppen heute ja nur noch sehr fragmentiert erreicht und man das Ohr immer an der Schiene haben sollte.

Wir hören von Kunden oft, dass sie Social Media total wichtig finden, um das Unternehmen auch gerade bei der GenZ zu platzieren, dass sie das aber bei der Geschäftsführung nicht durchbekommen… Damit scheint ihr ja keine Probleme zu haben?

Ne, wenn ich sowas höre, sagt mir das aber auch schon viel über die Wertschätzung der Unternehmenskommunikation und des Recruitings in diesen Häusern. Denn wenn Geschäftsführer immer noch nicht verstanden haben, dass das die Wege sind, dann ist dieses Unternehmen leider zum Scheitern verurteilt. (JS lacht) Nein, wirklich. Jetzt heißt es: aufwachen! Wir sind in einem Change mit unserer Gesellschaft, den es so noch nie gab. Stichwort demografischer Wandel. In den nächsten fünf bis zehn Jahren gehen jede Menge Baby Boomer in Rente. Wir müssen unsere sozialen Kontakte aufbauen und die bekommt man nicht über Nacht. Auch nicht mit viel Geld, das dauert einfach seine Zeit und muss sukzessiv aufgebaut werden. Um das mal bildhaft zu erlären: Social Media ist wie das gute Gespräch in der Küche, wenn du auf ´ner Party bist. Man kommt durch Zufall ins Gespräch, geht wieder, kommt zurück… So funktioniert auch Social Media.

Das stimmt, das braucht einfach seine Zeit. Was würdest du denn sagen, wie lange es gedauert hat, bis ihr beispielsweise bei Instagram eine relevante Größe hattet, so dass es anfing sich auszuzahlen?

Das ist schwierig zu sagen. Ich finde aber, dass man das auch anders sehen kann. Im Grunde ist es vom ersten Post an ein wertvoller Kanal. Denn die ersten, die da folgen, sind Mitarbeiter. Und wenn denen das gefällt und sie zu Fürsprechern werden, dann hat man etwas in Sachen Empfehlungsmarketing und Mitarbeiterbindung getan. Als ich 2013 hierher kam, war das Haus imagemäßig, übrigens zu Unrecht, am Boden und die Challenge war dann, den Mut und das Selbstbewusstsein der Leute zu wecken. Und das hat so gut funktioniert. Social Media kitzelt einfach das Bauchgefühl und vermittelt so ein Gefühl für die Unternehmenskultur. Und letztlich entscheidet man sich am Ende auch wegen dieses Bauchgefühls für ein bestimmtes Unternehmen. Die Rahmenbedingungen sind oft vergleichbar, aber das Bauchgefühl eben nicht.

Und habt ihr da Erfolgsgeschichten?

Ja, wir hatten zum Beispiel mal einen jungen Intensivpfleger, der uns aus Hessen eine ganze Weile via Social Media beobachtet hat. Und irgendwann hat er sich dann gemeldet und gesagt, ihm gefiele das gut, ob wir denn wohl eine Stelle frei hätten. Das ist natürlich ein Sechser im Lotto…. Man hat sich quasi ein halbes Jahr als Haus vorgestellt, ohne dass wir es wussten, und dann bewirbt sich jemand, wechselt ins Ruhrgebiet und kommt zu uns.

Richtig gut! Also messbare Ergebnisse?

Ja klar. Man kann auch Zahlen und Zugriffe messen. Aber ich finde das mit Kampagnen, die dann auf Teufel komm raus über die Zahlen bewertet werden sollen, schwierig. Dann heißt es immer: Wir machen jetzt eine Kampagne, die läuft drei Monate, und dann meint man, damit hat man das Ruder jetzt rumgerissen. Aber eigentlich geht es doch darum, nachhaltig ein stimmiges Image zu prägen und zwar, indem das auch gelebt wird.

Wie seid ihr denn dazu gekommen zu tiktoken?

Ich hab das vor ein paar Jahren in New York kennengelernt und als ich dann eine Weile später in Berlin auf einem Kongress war, sagte mir jemand, er könne sich aber nicht vorstellen, dass ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter zum Tanzen auffordert. Und dann hab ich gedacht: Die Herausforderung nehme ich an! Wir haben 2018 einen Mitarbeiterkodex erstellt. Solche Verhaltensrichtlinien sind ja manchmal in der Sache gut und richtig, aber irgendwie total langweilig. Dann hängen die an der Wand und man weiß: Der Mensch steht im Mittelpunkt… Aber das ist halt das übliche Blabla und verstaubt an der Wand schnell. Ich habe mir überlegt, dass wir die Botschaften des Kodex nehmen und versuchen, sie in TikTok-Songtitel und Tänze zu übertragen. Also quasi: Tanze deinen Job. So fing es an.

Was war euer erfolgreichster TikTok?

Der Algorhytmus wurde seitdem zig Mal verändert, das macht die Messbarkeit schwierig. Aber ganz am Anfang im Jahr 2019 waren wir mit der Tagesschau und der Otto Group die First Mover in dem Segment. Wir hatten einen TikTok, in dem ging es um Desinfektionsmittel, das gepumpt wird. Dazu lief „Pump up the Jam“ und es wurde einfach getanzt. Bei einem anderen TikTok hatten wir bis zu zwei Millionen Likes. Aber das sind für mich nur Zahlen, da weiß ich auch nicht, wie viel das aussagt. Wichtiger war: Die Mitarbeiter hatten Spaß und es prägt die Kultur.

Die Jerusalema-Challenge haben auch die Polizei NRW, die Feuerwehr und viele weitere mitgemacht. Das Ganze fiel denen hinterher aber auf die Füße, weil sie die Musikrechte bei Warner Music nicht gekauft hatten…

Ja, das stimmt. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden mitzumachen. Aber aus ganz anderen Gründen. Man muss sich natürlich schon überlegen, welche Botschaft man damit sendet. Und zu Zeiten von Corona, die gerade für Krankenhäuser ja auch wirklich schwierig sind und waren, fanden wir es nicht angemessen, wenn auf der einen Seite von personellem Notstand und Ausnahmezuständen gesprochen wird und wir dann aber lustig durch die Flure tanzen… Da wundere ich mich schon manchmal, wie naiv teilweise mit PR umgegangen wird.

Und habt ihr noch irgendeine Zensur? Muss das nochmal abgenickt werden oder hast du freie Hand?

Ne, ich hab da quasi Social Media Prokura, aber das Vertrauen hab ich mir auch über Jahre erarbeitet. Dem Kardiologen wird vertraut, dass er das mit den Herzklappen kann, und mir, dass ich weiß, wie man diese Kanäle richtig bespielt. Zensur und lange Abstimmungswege sind außerdem der Tod der Spontanität und widersprechen im Grunde dem spontanen Wesen der sozialen Medien, wenn ich ein Posting erstmal durch drei Abstimmungsschleifen gebe.

Welche Unternehmen findest du sonst noch gut in Sachen Social Media?

MR (denkt nach): Die Berliner Verkehrsbetriebe machen tolle Sachen oder auch die Otto Group. Aber ich muss sagen, ich selbst hole mir die Inspiration für meine Social-Media-Arbeit gar nicht so sehr über die sozialen Medien, sondern eher aus anderen Branchen oder Medien und überlege mir dann, wie man das in Social Media übersetzen könnte. In der Kunst zum Beispiel. Ich denke dann gerne quer, auch wenn das ja seit der Pandemie als Wort etwas in Verruf geraten ist. Das Thema muss gut sein und dann kann man gucken, wie man das in klassischen Medien oder Social Media verwursten kann.

Hast du noch einen Tipp für diejenigen, die jetzt mit Social Media anfangen wollen?

Erstens: Vielleicht erstmal langsam reinsneaken und sich privat damit beschäftigen. Die DNA des Kanals kennenlernen. Zweitens: Die Erwartungshaltung zurückschrauben. Seit die Kanäle auch immer wieder etwas in Richtung Monetarisierung verändern, ist es ungleich schwerer schnell Erfolg zu haben als noch vor zwei Jahren. Und drittens vielleicht: Dran bleiben und den Kanal stetig pflegen. Man bekommt ein Unternehmens-Image nicht mit einem Post oder auch einer Kampagne umgekrempelt. Gutes Image ist wie ein gutes Steak, das durchzogen ist mit Fett. Wenn nur an einer Ecke ein Fettrand dran ist, ist das Steak nicht gut.

Danke, Marc!

Autorin: Judith Strücker

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