Mensch, war das in den 90ern einfach. Da reichte es, den Lebenslauf halbwegs übersichtlich zu gestalten und darauf zu achten, dass die Bewerbungsmappe keine Eselsohren oder Kaffeeflecken hat. Im Anschreiben beteuerte man ein großes Interesse und eine gute Eignung, ohne dafür Gründe angeben zu müssen. Ein plumpes „Ich wollte immer schon Versicherungsfachangestellte werden, meine Tante macht das auch“, gepaart mit ein paar netten Eigenschaften wie Teamfähigkeit und Flexibilität – fertig war die Bewerbung. Der größte Zeitaufwand bestand damals darin, die Zeugniskopien zu erstellen, einen Umschlag und eine Briefmarke zu besorgen und zum Briefkasten zu laufen.

Heute kann man sich den Weg zur Post sparen, dafür muss man wesentlich mehr Mühe in das Anschreiben investieren. Bewerbungen sollen individuell formulierte Glanzstücke sein, die den Leser begeistern. Wer schreiben kann oder zumindest jemanden kennt, der schreiben kann, hat einen großen Vorteil.  Wer gestalten kann oder zumindest jemanden kennt, der gestalten kann, hat einen noch größeren Vorteil. Denn die Herausforderung besteht in 2016 darin, sich mit einer kreativen Gestaltung der Bewerbung von Mitbewerbern abzuheben.  Abheben musste man sich schon immer, allerdings ist die Lage in 2016 schwieriger, da Unternehmen mittlerweile sehr viel mehr Bewerbungen bekommen (leider häufig unpassende). Warum ist das so? Digitale Medien machen es dem Bewerber leicht. Mit wenigen Klicks können sie ihre Unterlagen z.B. in Online-Bewerbungsformularen unterbringen. Parallel entstehen mobile Lösungen für Bewerber – Apps, die den Erstkontakt fast spielerisch möglich machen, mit ganz wenig Aufwand. Damit sind wir schon beim ersten Bewerbungstrend in 2016, der Massenbewerbung. Unterstützt wird diese Entwicklung dadurch, dass Stellenanzeigen inzwischen oft zu weich formuliert sind. In der Folge fühlen sich Bewerber angesprochen, die fachlich nur wenig oder gar nicht geeignet sind. Personaler wiederum stehen unter dem Druck, eine Mindestanzahl an Bewerbungen zu generieren. Das gelingt unter anderem über Stellenprofile, für die viele Menschen in Frage kommen.

Der zweite Trend bei Bewerbungen ist sehr positiv: Die Anschreiben werden ehrlicher. Wenn es um Lücken im Lebenslauf geht, wird nicht mehr herumgedruckst. Es ist gesellschaftsfähig geworden, einen nicht zu jeder Zeit stringenten Lebenslauf zu  haben, und man darf offen darüber sprechen, warum man eine Auszeit genommen hat. Zum Beispiel, um weitere berufliche Ziele zu entwickeln oder sinnstiftenden, ehrenamtlichen Tätigkeiten nachzugehen. Ehrlicher geht es auch in Vorstellungsgesprächen zu. Bewerber werden nicht kritisch durchleuchtet, um Schwächen aufzudecken, sondern das Gespräch findet auf Augenhöhe in freundlicher Atmosphäre statt. Das muss es auch, denn zunehmend nutzen Unternehmen und Hochschulen die Nachwuchswerbung für ihr Image. Eine sympathische Ausstrahlung in Stellenanzeigen und im Bewerbungsprozess färbt positiv auf die Marke oder die Einrichtung ab. Arbeitgeberbewertungsportale wie kununu.com erhöhen den Druck. Übrigens setzen immer mehr Unternehmen Persönlichkeitstests bei der Personalauswahl ein. Für den Personaler können sie als Legitimierungsinstrument für die Entscheidung dienen. Nach dem Auswahlprozess landet der Test in der Bewerbungsakte.

Karfreitag habe ich mich im Deutschlandfunk mit Redakteurin Kate Maleike und der Personalmarketing-Verantwortlichen Ildiko Peter von Otto über Bewerbungstrends unterhalten. Hören Sie mal rein in „Bewerbungstipps – Kurz, knapp, knackig“.

Herzliche Grüße

Anke Tilmann

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